Dunja Hayali: Haymatland.

REZENSION
Dunja Hayali: Haymatland. Wie wollen wir zusammenleben?

Die meisten kennen Dunja Hayali vermutlich als Journalistin und Moderatorin aus dem Fernsehen, z. B. aus den ZDF-heute-Nachrichten oder aus dem heute-Journal. Über diese Rolle spricht sie auch in ihrem Buch Haymatland, das 2018 im Ullstein-Verlag erschienen ist. Besonders wichtig ist ihr aber auch, zu unterstreichen, dass sie nicht nur das ist, eine öffentlich bekannte Person, sondern auch „einfach eine Frau, die stolz auf ihre Eltern ist und dankbar und demütig für die Möglichkeiten, Freiheiten und Rechte, die mir unser Land einräumt und die mir meine Eltern ermöglicht haben“ (S. 13). In dieser Formulierung steckt schon viel von dem, was sie in den folgenden Kapiteln noch ausführen wird. Die Frage danach, was Heimat eigentlich ist, beantwortet Hayali für sich zunächst so: „Etwas, an dem man sich festhalten und zu dem man zurückkehren kann […]“ (S. 25). Die Eltern, die eigene Familie spielen dabei ebenso eine große Rolle wie das Land bzw. die vertraute Umgebung.

(Buchcover: ullstein-buchverlage.de)

Eine neue Heimat

Hayali spricht über verschiedene Gründe, die eigene Heimat zu verlassen. Ihr Vater, geboren in Mossul, verließ den Irak in den 1950er-Jahren, um in Wien Medizin zu studieren. Dort lernte er auch seine zukünftige Frau kennen, die wie er aus Mossul stammte und Medizin studierte. Später zogen sie nach Deutschland. Hier wurde Hayali 1974 in Datteln, im Ruhrgebiet, geboren. Ihre Eltern gehörten als Christen im Irak zu einer verfolgten Minderheit. Viele Christen sind als Folge dieser Unterdrückung aus dem Land geflohen. Hayali macht aber auch deutlich, wie anmaßend es ist, pauschal über Menschen zu urteilen, die ihr Land aus anderen Gründen verlassen: „Viele werden meiner Familie nun unterstellen: Die waren sicher Wirtschaftsflüchtlinge. Mit bestem Gruß an alle Deutschen, die ausgewandert sind, weil auch sie ihr Glück woanders suchten: Selbst wenn – wer hat darüber zu richten?“ (S. 16).

Hass und Hoffnung

Hayali spricht in ihrem Buch über Definitionen von Heimat, Fremdenhass und Angst, aber auch über die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben. Das Ausmaß, das Hass und Hetze annehmen können, ist immer wieder erschreckend. Dazu gehört negatives Framing, also das Verunglimpfen von eigentlich wertneutralen Bezeichnungen. Ein Beispiel ist das Wort ‚Asylant‘. Es bezeichnet ursprünglich einen Menschen, der von seinem ihm zustehenden Recht auf Asyl Gebrauch macht. Aufgrund der Abwertung des Begriffs wird er aber heute kaum noch „abseits von rechtspopulistischen Äußerungen“ (S. 80) verwendet. Dazu gehören auch die persönlichen Hass- und Drohnachrichten, die Hayali täglich erreichen und in denen ihr unglaubliche Beschimpfungen und Beleidigungen an den Kopf geworfen werden, Nachrichten, in denen ihr aufgrund der Tatsache, dass ihre Eltern im Irak geboren wurden, abgesprochen wird, dass Deutschland ihre Heimat ist.

"Wenn alle das Grundgesetz einmal lesen …"

Das Buch macht sehr nachdenklich. Was Hayali als Person des öffentlichen Lebens vielleicht in einem besonderen Ausmaß betrifft und was sie aufgrund ihrer Bekanntheit öffentlich thematisieren kann, erleben viele Menschen auch im privaten Umfeld, weil es Menschen gibt, die ihren Hass und Unmut willkürlich auf die richten, von denen sie meinen, dass sie in „ihrer“ Heimat nichts verloren hätten. Dagegen stellt Hayali ihre Hoffnung, dass ein friedliches Zusammenleben und ein Teilen von Heimat möglich sind, auch bei unterschiedlichen Vorstellungen davon, was Heimat bedeutet. Dazu ist es wichtig, sich von einer Haltung des Jammerns und Beklagens zu lösen. Als Alternativen schlägt Hayali Engagement für Demokratie und Herzensbildung vor.

Am Ende des Buches präzisiert sie ihre Vorstellung von Heimat noch einmal:

Meine Heimat ist Freiheit!
Meine Heimat ist Demokratie!
Meine Heimat ist das Grundgesetz!
Meine Heimat hält die Würde des Menschen für unantastbar. Und nicht nur die des deutschen Menschen.
(S. 127)

Das Buch ist eine absolute Leseempfehlung. Und vielleicht könnte man bei der Gelegenheit auch einmal wieder ins Grundgesetz schauen … Hand aufs Herz: Haben Sie das Grundgesetz schon einmal vollständig gelesen?

Dunja Hayali: Haymatland. Wie wollen wir zusammenleben? Berlin: Ullstein 2018.


Geschrieben von Janina Schmiedel
Freitag, 28. Januar 2022

Rezension

Dunja Hayali: Haymatland. Wie wollen wir zusammenleben?
Geschrieben von Janina Schmiedel

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