Waffen der Menschlichkeit

Viele Freunde von Convivio mundi werden sich an den eindringlichen Appell von Professor Dr. Gerhard Trabert, Begründer des Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.“ im Dezember 2018 aus dem Kriegsgebiet Kobane in Nordsyrien erinnern, wie auch an seinen Bericht im November 2020 über das Flüchtlingslager Cara Tepe auf Lesbos. Für den Mediziner und Sozialpädagogen bedarf es keiner Abwägung mehr, Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten notwendige Hilfe und Unterstützung, Medikamente, Verbandsmaterial und Wundversorgungs-Equipment zu bringen. Anfang Mai reiste er aus diesem Grund in die Ukraine. Er schickte Convivio folgenden Erfahrungsbericht, den wir leicht gekürzt haben.

Eindrücke und Erfahrungen während der Reise nach Lwiw und Kiew vom 3. Mai bis 8. Mai 2022

Vorbemerkung:

Es wird in Deutschland viel über das Für und Wider von Waffenlieferungen in die Ukraine diskutiert. Ich selbst bin kein Pazifist mehr. Ich war zu oft in Bürgerkriegs- und Kriegsregionen und sprach mit Menschen, die von dem „Feind“ attackiert und deren Angehörige und Freunde getötet wurden. Ich glaube, dass man die Zivilbevölkerung vor der Aggression durch Despoten und Diktatoren oft nur aufgrund einer militärischen Gegenwehr schützen kann.
Und trotzdem darf es nicht, was immer häufiger in Deutschland geschieht, zu einer Stigmatisierung von Waffenlieferungsgegnern kommen. Die Argumente müssen beiderseits angehört werden. Es ist wichtig die Sichtweise des Andersdenkenden zu ergründen, einfach den Blickwinkel einmal zu ändern, und auch lebensgeschichtliche Ereignisse, die zu einer bestimmten Haltung geführt haben, zu erkennen und zu akzeptieren. Ziel müssen immer Verhandlungen und der Frieden sein.

Beginn 3. Mai 2022

Ich bin auf dem Weg in die Ukraine, mit mir reisen Gregor Gysi und Michael Schlick. Medikamente, Verbandsmaterial, Wundversorgungs-Equipment und insbesondere ein Dermatom habe ich im Gepäck. In Kriegsregionen entstehen durch Explosionen häufig großflächige Wunden und Verbrennungen die schlecht heilen. Das Dermatom ermöglicht Hauttransplantationen eigener gesunder Hautpartien der Patienten. Es ist immer wieder ein besonderes und sehr eigenartiges Gefühl in eine Kriegsregion zu fahren. Aber gerade jetzt braucht die Zivilbevölkerung, brauchen die vielen verletzten Kinder, Frauen und Männer unsere Unterstützung und Hilfe.
In Lwiw angekommen sind wir mit Luftalarm und einem russischen Raketenangriff konfrontiert. Wir sind in einem Land in dem Krieg herrscht. Die Explosion dieses Raketenangriffs ist nur ca. 300 m von unserer Wegstrecke entfernt.

4. Mai 2022:

Lwiw / Armenküche, Basilianerorden, Gespräche mit Binnenflüchtlingen

Wir besuchen die sogenannte Armenküche, die unser Verein „Armut und Gesundheit“ schon seit über zehn Jahren unterstützt. Lubomira, die sich liebevoll und engagiert um Binnenflüchtlinge und vor Ort lebende arme Menschen kümmert, zeigt uns die Einrichtung und einen ganz besonderen Raum. Ein Schutzraum unterhalb einer Kirche! Dort übergebe ich einen Großteil der Medikamente und des Verbandsmaterials, welches wir mit Unterstützung der Organisation „Apotheker ohne Grenzen“ zusammengestellt haben. Bisher alles ohne Luftalarm.
Dann doch wieder Alarm. Schließlich nach über einer Stunde Entwarnung!!! Der Bomben- und Raketenalarm scheint jetzt beendet in Lwiw. Wir haben heute mit vielen Menschen gesprochen, die aus verschiedenen, besonders heftig umkämpften Regionen in der Ukraine geflohen sind. Da ist die junge Mutter mit ihrem drei Monate alten Säugling und ihrem neun Jahre alten Sohn sowie der kleinen Katze Mamu, die aus Charkiw geflohen ist und jetzt von den Basilianer-Priestern aufgenommen wurde. Sie hat große Angst um ihren Ehemann, der dort an der Front kämpft. Wird sie ihn wiedersehen? Oder die junge Frau Mira, die aus Mariupol mit fast der gesamten Familie fliehen konnte, allerdings ohne den geliebten Schwiegervater. Er war zu krank für die gefährliche Flucht aus diesem Katastrophen-Kriegsgebiet. Seit Wochen lebt er versteckt im Keller. Wird er es überleben? Da ist die junge Mutter, die evakuiert wurde, schwer verletzt, so dass man ihr das linke Bein amputieren musste. Aber auch die kleine Natascha, die sich riesig darauf freut, dass morgen ihr Vater, der in der Region um Kiew kämpfte, nach zwei Monaten der Trennung endlich zu ihr kommen wird. Schicksale die immer wieder berühren und sehr, sehr traurig und nachdenklich machen. Warum gibt es immer wieder Kriege?! Und schon ertönt wieder der Luftalarm!
Auf dem Weg zu einer Unterkunft für geflüchtete Menschen fahren wir an einem kürzlich durch einen Raketenangriff der russischen Invasoren zerstörten Gebäude vorbei. Augenscheinlich kein militärisches Ziel. Dort starben 11 Menschen und 37 wurden verletzt, teilweise schwer. Doch beeindruckend, dass quasi sofort mit dem Wiederaufbau des Gebäudes begonnen wird. Welch eine Energie und Kraft die Menschen hier immer wieder aufbringen.

5. Mai 2022: Fahrt nach Kiew mit dem Zug

Am Bahnhof in Lwiw angelangt ist wieder Luftalarm. Die besondere Anspannung der Menschen ist dort überall zu spüren, denn Bahnhöfe sind ausgesprochene Ziele des russischen Militärs. Endlich, irgendein Zug, nicht der, den wir gebucht hatten, fährt schließlich nach Kiew als die Sirene Entwarnung gibt.
Nach einer zehnstündigen Bahnfahrt – kurz nach dem Ende des Raketenalarms in Kiew – kommen wir in der Hauptstadt der Ukraine an. Es ist kaum zu glauben, dass hier Krieg herrscht. Ich gehe durch eine wunderschöne Stadt, schöne, historische Gebäude im Zentrum und ruhig, ja fast sorglos schlängelt sich der Dnjepr durch die verschiedenen Stadtteile. Der Kontrast zwischen dem militärischen Schutz vor dem Despoten Putin und der Schönheit und Verträumtheit dieser Metropole ist hier überall spürbar und könnte nicht größer sein. Auch jetzt findet ein öffentliches, quirliges Stadtleben statt. Stadtmusikanten, Blumenstände, Liebespaare … Aber auch überall Sandsäcke, Barrikaden und Panzersperren …

zum Vergrößern bitte Bilder anklicken (© Fotos: Gerhard Trabert)

6. Mai 2022: Wyschgorod, Irpin, Butscha

Heute war ein ganz besonders intensiver Tag der Begegnungen. Wir waren in Wyschgorod, in Irpin und Butscha. Städte in der Nähe von Kiew die ganz oder teilweise von den russischen Invasionstruppen besetzt waren und schließlich von der ukrainischen Armee wieder befreit wurden. Ich werde diesen Tag in verschiedenen Abschnitten schildern.

1: Die Übergabe des Dermatoms im Zentralkrankenhaus in Wyschgorod

Wir wurden von der Chefärztin empfangen, die uns das Krankenhaus vorstellte. Besonders die traumatologisch-chirurgische Abteilung interessierte mich dabei, da ich selbst schon Erfahrungen als Arzt in der Versorgung von Kriegsverletzten, insbesondere im Nordirak und in Nordsyrien, sammeln konnte. Deshalb hatte ich auch ein Dermatom im Gepäck. Mit diesem medizinischen Gerät ist es möglich großflächige Weichteilverletzungen und Verbrennungen mit Eigen-Haut-Transplantationen gut zu behandeln. Diese Wunden heilen oft nur, wenn Eigenhaut zum Wundverschluss therapeutisch eingesetzt wird. Es war für mich ein zutiefst emotionales Erlebnis, die Freude in den Augen und den Worten meiner ärztlichen Kollegen, insbesondere bei Dr. Mohammed, zu sehen. Dies wäre genau das, was sie bräuchten. Sogleich wurden mir Patienten mit entsprechenden Wunden, verursacht durch Granatenexplosionen und Streubomben, vorgestellt. Zudem freute man sich sehr über chirurgisches Equipment, dass zur Behandlung von Knochenbrüchen, sogenanntes Fixateur externa Instrumentarium, benutzt wird. Es war ein melancholisch-bewegendes und schönes Gefühl, den Kollegen und damit den Patientinnen und Patienten in der Ukraine helfen zu können. Und dies, denn das Dermatom kostet ca. 20.000 € (die Herstellerfirma räumte uns allerdings einen Preisnachlass für die Ukraine ein), war insbesondere durch die Spenden zahlreicher Menschen in Deutschland an unseren Verein möglich. Danke! Auch im Namen der Menschen in der Ukraine.

2: Essensausgabe und Besichtigung der Stadt Irpin

Wir besuchen mit Igor Bragin, dem Chef der Organisation „Köche der Ukraine“, die Stadt Irpin, die vor wenigen Wochen von den russischen Invasoren befreit wurde. Zuvor besuchen wir seine Akademie, seine Ausbildungsstätte für zukünftige Köche in Kiew, die nun für tausende von Menschen in der Woche Essen kocht und vor Ort verteilt. Vor Ort bedeutet in Irpin, da dort die Strom-, Gas- und Wasserversorgung zusammengebrochen ist. Igor hat in der gesamten Ukraine entsprechende Dependancen, die diesem Beispiel folgen, z.B. auch in der Stadt Charkiw. In Irpin angekommen zeigt uns Vadim zerstörte Autos und Panzer, Überbleibsel der stattgefundenen, heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen russischer und ukrainischer Armee. Vadim ist ein ehemaliger Profi-Eishockey-Spieler aus der Ukraine, der u.a. auch bei Weißwasser-Berlin spielte und durch seinen freundschaftlichen Kontakt zu Michael, dem Pressesprecher der Partei Die Linke, unseren Aufenthalt in Kiew und Umgebung organisierte, wie auch die Besuche bei den Hilfsorganisationen und Krankenhäusern. Das Ausmaß der Zerstörung ist unglaublich. Hunderte von Autos, die zum Teil vollkommen verbrannt sind, sowie Panzer, liegen aufgetürmt am Rande der Stadt. Ein beklemmendes Gefühl, zumal mich immer die Frage begleitet, leben die Besitzer der Autos, der Fahrer der Panzer noch?! Was ist mit ihnen?
Wir erreichen einen Stadtteil von Irpin, wo schon eine Menschenschlange das Essen von Igors Hilfsorganisation erwartet. Es gibt eine Suppe, Reis mit Gemüse sowie etwas Fleisch. Dort, wo auch wir etwas essen, haben noch vor wenigen Wochen russische Soldaten gehaust. Sie hätten oft mit ihren Stiefeln auf den Stoffsitzen gestanden. Man sieht diese Stiefelabdrücke noch. Nachdem sie betrunken vom Wodkakonsum gewesen waren, wären sie in ihre Panzer, die aufgereiht in der Straße standen, gegangen und hätten dann willkürlich in die umliegenden Häuser geschossen. Ich kann die Aussagen natürlich nicht überprüfen, aber vieles spricht für die Wahrheit dieser Schilderungen. Vadim zeigt mir das Maß an Zerstörung und Plünderung in den Wohnungen der umliegenden Häuser. Ich erkenne noch ein metallisches Bettgestell, eine Nähmaschine, eine Waschmaschine, einen Küchenherd … aber fast immer vollkommen ausgebrannt.
Die Toten hätten auch in Irpin teilweise auf der Straße gelegen, auch abgetrennte Körperteile. Die Zivilbevölkerung musste in den Kellern hausen, wer herauskam, wurde oft erschossen. Im Belag der Straße sind die Abdrücke der Panzerketten zu sehen. Alles unfassbar …
Die Aufräumarbeiten finden intensiv statt. Schutt und Gebäudetrümmer werden weggeräumt und die Stromkabel werden wieder vernetzt und angeschlossen. Diese Energie nach dieser barbarischen Zerstörung, diesem Leid …

3: Besuch des Krankenhauses in Butscha sowie des Massengrabes für die Zivilopfer

Auf dem Weg nach Butscha sehen wir ein weiteres Mahnmal der russischen Aggression. Ein Einkaufszentrum liegt in Schutt und Asche. Wir besuchen das Krankenhaus in Butscha. Der Leiter der Chirurgie berichtet von den zahlreichen Verletzten und getöteten Menschen. Bei heftigem Artilleriebeschuss, suchten die gesamte Belegschaft und die Patienten, die noch mobil waren, in einem langen Gang unterhalb des Krankenhauses Schutz. Nach der Invasion durch die russische Armee durchsuchten die russischen Soldaten immer wieder das Krankenhaus nach Waffen und ukrainischen Soldaten. Die zentrale Aufnahme des Krankenhauses wäre voll gewesen, die Verletzten warteten in den Gängen, man versorgte die Menschen Tag und Nacht. Da war das junge Mädchen, das eine schwere Armverletzung hatte, aber durch die ständigen Schießattacken der russischen Soldaten, nicht ins Krankenhaus konnte. Als sie endlich dort behandelt werden konnte, war nur noch eine Amputation des Armes möglich. Sie wird derzeit in Italien weiterbehandelt. Der junge Mann, der eine auf dem Boden liegende, von den Russen geworfene Handgranate zurück auf den Panzer werfen wollte, als diese in seiner Hand explodierte. Auch hier war nur noch eine Amputation möglich. Immer wieder wird mir bei meinen Besuchen in den beiden Krankenhäusern in dieser Region berichtet, dass die russische Armee Streubomben einsetzte, die eine immense Granatsplitterstreuung bewirken. Diese Waffe darf nach internationalem Recht nicht eingesetzt werden. Augenzeugen im Krankenhaus in Wyschgorod berichteten mir von Menschen, die dadurch zerfetzt wurden, ein junges Mädchen hätte beide Beine abgerissen bekommen, die Enkeltochter der Patientin, die wir besuchten, wird ebenfalls mit Splitterverletzungen im Krankenhaus behandelt. Sie und ihr Ehemann berichten sichtlich bewegt und traumatisiert von diesen Ereignissen. Ohnmacht und Hilflosigkeit, Wut und Trauer empfinde ich. Zuhören ist das Einzige, was ich in solchen Momenten tun kann!
Das Krankenhaus in Butscha benötigt dringend einen zweiten Operationsraum. Der ukrainische Chirurg zeigt uns den dafür geplanten Raum. Wir werden dieses Vorhaben unterstützen. Ich händige dem völlig erstaunten Kollegen 13.000 € von unserem Verein „Armut und Gesundheit“ als erste konkrete finanzielle Unterstützung für dieses Vorhaben aus. Er ist etwas verunsichert, und fragt mit einem Lächeln im Gesicht, ob dies legal sei. Ich lass ihn die finanzielle Empfangsbestätigung unterschreiben und versichere, dass dies legal ist. Immer wieder wird uns vermittelt, dass man mit Freude und Anerkennung sieht, dass wir nicht nur hier seien um Fotos und Selfies zu machen, sondern um konkret und direkt zu helfen. Ja, genau das ist unsere Absicht. Und wir möchten von all unseren Gesprächspartnern erfahren, was wirklich in den jeweiligen Versorgungs- und Hilfsangeboten sowie in den Krankenhäusern konkret benötigt wird. Nichts ist schlimmer als Hilfe, die nicht wirkliche Hilfe ist, wenn sie an den Bedürfnissen vor Ort vorbeigeht.

Besuch des Massengrabes von getöteten Zivilisten in Butscha

Hinter einer schönen, orthodox erscheinenden Kirche befindet sich ein Massengrab von 104 getöteten Zivilisten. 37 Frauen und 2 Kinder. Man exhumierte die Verstorbenen, versuchte deren Identität zu eruieren und begrub sie dort wieder, gemeinsam mit all den getöteten Zivilisten, die man auf den Straßen in Butscha fand. Der Priester des Ortes schildert uns die damaligen Geschehnisse und die Erfahrungen bei der Exhumierung der Leichen. Er beschreibt ausführlich und engagiert, zugleich spüre ich seine tiefe Betroffenheit und Trauer. Immer wieder sehe ich, wie der Priester versucht, seine Tränen, die er vergießen möchte, zurückzuhalten. Im Inneren der Kirche ist eine Fotoausstellung der Bilder, die wir fast alle bei der Berichterstattung in den deutschen Medien gesehen haben. Diese Fotos, diese Schicksale von Menschen hier visualisiert dokumentiert zu sehen und zu wissen, dass ich mich an dem konkreten Ort dieses barbarischen Geschehens befinde, hat eine emotionale Betroffenheitsdynamik, die schwer zu ertragen ist. Ich fotografiere diese Fotos der Unmenschlichkeit, da der Priester uns vermittelt, ja wir sollen bitte Fotos machen, dass diese als Zeugen des Geschehenen in die Welt hinausgetragen werden. Es ist nicht einfach, dies zu tun, aber ich überwinde mich, und werde sie bewusst und verantwortlich verwenden.
Der Priester, der diesen Gedenkort der unglaublichsten menschlichen Barbarei betreut und darüber informiert, der mir Fotos von der Plünderung in seinem Haus in Butscha zeigt, vermittelt uns auch, und dies ist eine Einstellung, die mich sehr bewegt, dass in diesem Massengrab auch zehn russische Soldaten würdevoll beerdigt seien. Und er begründet dies mit einer absolut spürbaren, authentischen, persönlichen Überzeugung, dass auch dem Feind dieser Respekt gebührt und es niemals um Rache und Vergeltung gehen dürfe. Ist diese persönliche Haltung, die Grundlage für die Überwindung von Hass und Krieg, die Basis für einen neuen Frieden?!
Wir müssen in unserer Heimat sowie überall auf dieser Erde darauf achten, dass es keine Anfeindung von Menschen aus Russland gibt! Nicht das russische Volk führt diesen Krieg, sondern Putin und die ihn unterstützenden Machtpolitiker. Es darf eben nicht zu einer Ausgrenzung und Anfeindung von Menschen kommen, die die russische Staatsbürgerschaft oder russische „Wurzeln“ haben, was leider immer wieder, gerade auch in Deutschland, geschieht! Hier muss differenziert und reflektiert gehandelt werden.

Exkurs: Hilfsbereitschaft zwischen den Gegnern, den angeblichen Feinden

Mir wird auch davon berichtet, wie russische, verletzte Soldaten in den Krankenhäusern behandelt wurden und auch russische Soldaten ukrainische Zivilisten ins Krankenhaus brachten.
Im Krieg stirbt die Menschlichkeit als erstes, manchmal überlebt sie aber auch, trotz aller zerstörerischen Umstände, und dem Versuch der Mächtigen absolute Feindbilder aufzubauen.
Die Zivilbevölkerung in den von den russischen Invasoren besetzten Gebieten hätten die Aggressoren in drei Gruppen eingeteilt:
Gruppe 1: Soldaten, mit denen man reden konnte, die zugänglich für Vorschläge der Erleichterung bezüglich der Lebenssituation von Zivilisten waren.
Gruppe 2: Russische Soldaten, die gelangweilt, desinteressiert, aber nicht aktiv aggressiv waren.
Gruppe 3: Soldaten, die einfach Barbaren gewesen wären. Die wahllos töteten und plünderten.

Der Umgang mit der Angst bei Raketenalarm

Als wir In Lwiw ankamen, explodierten kurz vor unserer Ankunft fünf Raketen in Randregionen, aber auch eine Rakete in der Nähe unserer Fahrtroute. Immer wieder ertönt der Raketenalarm. Ich stelle fest, dass ich überhaupt nicht weiß, handelt es sich um eine Sirenenwarnung oder eine Sirenenentwarnung. Ich lerne sehr schnell: Wellenförmiger Ton bedeutet Warnung, gleichbleibender kontinuierlicher Ton bedeutet Entwarnung. Und ich lerne, dass ich mich relativ schnell am Verhalten der Anderen orientiere. Suchen sie einen Schutzraum auf oder nicht? Falls nicht, verbleibe auch ich im Restaurant oder Zimmer. Der Mensch ein Anpassungsweltmeister?!


Gerhard Trabert, geschrieben Mai 2022

Vita: Prof. Dr. Gerhard Trabert

*64 Jahre alt oder jung, * 4 Kinder
* Fachhochschulstudium Fachbereich Sozialwesen in Wiesbaden Diplom Sozialpädagoge (1975-1979)
* Mehrjährige Berufstätigkeit als Diplom Sozialpädagoge u.a. im Krankenhaussozialdienst
* Begabtenstipendium der Evangelischen Kirche (Studienwerk Villigst)
* Medizinstudium an der Gutenberg – Universität Mainz
* Promotionsstipendium; Dissertation zum Thema: „Gesundheitssituation und medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen“

* Zahlreiche Auslandsaufenthalte:
> Hospitation in einem Leprahospital in Indien (Hyderabad)
> Hospitation im St. Vincent s Hospital and Medical Center of New York (Health Care for Homeless people)
> Gesundheitsambulanz für bosnische Flüchtlinge in Ljubljana (Slowenien)
> mit „Ärzte für die Dritte Welt“ Gesundheitsversorgungsprogramm in den Slums von Dhaka (Bangladesh)
> mit Humedica:
-2001 in Afghanistan (nach dem 11. September)
-2003 Angola (nach Ende des Bürgerkrieges)
-2004 Liberia (nach Ende des Bürgerkrieges)
-2005 Sri Lanka (Tsunami) - 2010 Haiti (Erdbeben) und Pakistan (Überschwemmung;Flutkatastrophe) - 2013 Libanon (Versorgung syrischer Flüchtlinge)
> Selbstorganisierte Auslandseinsätze:
- 2009 Südsee Cook-Inseln (Gesundheitsversorgung auf den Inseln)
- 2011 und 2014 Ostgrönland.(Höchste Suizidquote weltweit) - 2013, 2014 und 2016 Bali (Indonesien) (Versorgung psychisch Kranker) - 2014 Kenia (u.a. Versorgung von Straßenkinder in Kisumu)
> Prison Fellowship international und Humedica: - 2012 Äthiopien (Gefangenenversorgung)
> Flüchtlingshilfe:
- 2016 Griechenland (Idomeni)
- 2015 und 2016 Kilis (Türkei, an der syrischen Grenze) - 2016 Reyhanli (Türkei, syrische Grenze; Unterstützung des Akrabat-Hospitals in Syrien - Idlib)
- 2017, 2018 und 2019 Nordsyrien /Rojava-Region; Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen u.a. in Kobane, Mitarbeit im Flüchtlingslager Ayn Issa (Raqqa-Region),
- 2017 Irak / Mosul (Hilfsorganisation CADUS; Mitarbeit in einem TSP (Trauma Stabilisation Point),
- 2017 und 2020 (Griechenland / Insel Lesbos); - 2018 Kenia (Straßenkinder-Projekt in Kisumu)

* Initiator und seit über 20 Jahren im sogenannten Mainzer Modell tätig, einer niedrig schwelligen medizinischen Versorgungseinrichtung von wohnungslosen Menschen (sogenannten Nichtsesshaften, Pennern, Landstreichern)
* Gründer und Aufbau der „Medizinischen Ambulanz ohne Grenzen“; eine Poliklinik für nicht krankenversicherte Menschen in Mainz (seit 2013)
* 1997 Gründer des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., 1. Vorsitzender
* 2003 Gründer des Vereins „Hilfen für Kinder an Krebs erkrankter Eltern“, 1. Vorsitzender
* Europäischer Delegierter der Nationalen Armutskonferenz (2005 - 2013)
* Verfasser zahlreicher Fachartikel zum Thema Armut und Gesundheit, Kinderarmut, Armut und Suizidalität, Kinder krebskranker Eltern; Verfasser von Kinderbüchern zum Thema Krebs, Als Arzt in Indien usw.
* Von 1999 - 2009 Professor für Medizin und Sozialmedizin an der Georg-Simon-Ohm Fachhochschule Nürnberg, Fachbereich Sozialwesen
* Seit 2009 Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden Fachbereich Sozialwesen
* Verschiedene Auszeichnungen: u. a. Bundesverdienstkreuz (2004); Kinderschutzpreis (2009) ; Glosser-Preis; Paracelsus-Medaille (2014), die höchste Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft, Verdienstorden Rheinland-Pfalz 2015; Ehrenamtspreis für Soziales Lotto-Stiftung 2016 usw.; Carola-Gold Preis 2018 (Berlin); Salomon Neumann Medaille 2019 (Höchste Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Soziales und Prävention), Auszeichnung zum Hochschullehrer des Jahres 2020 durch den Deutschen Hochschulverband.


Waffen der Menschlichkeit

Eindrücke und Erfahrungen während der Reise nach Lwiw und Kiew vom 3. Mai bis 8. Mai 2022


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