„Am Ende des Regenbogens wird ein Ort sein …"
Keines der Kulturprogramme von Convivio mundi hat bisher einen solchen Bogen gespannt, wie die Veranstaltung am 20. Februar im Leibnizhaus in Hannover.
Es war tatsächlich ein thematischer Regenbogen, weit und vielfarbig.
Und eine Brücke - zwischen Körper und Seele, zwischen Frohsinn und Schmerz,
zwischen Tradition und Technik, zwischen Hunger und neuer Dämmerung.
Das Programm begann mit Musik und für mich auch mit der Frage: Warum baut sich ein afrikanischer Musiker einen elektrischen Verstärker in seine Kora? Kora, kennen Sie doch, oder?
Diese 21 saitige „Zauberharfe", die an eine Laute erinnert, an zwei Griffen gehalten und mit sechs Fingern gezupft wird. Das Instrument, zu dessen Klängen in Afrika seit Generationen Geschichten weitererzählt werden. Warum muss die laut sein? Die Antwort kam wenige Minuten später: weil sie gegen die Trommeln sonst keine Chance hätte. Und die jungen Männer von Roots Manding aus Leipzig, die an diesem Abend bei Convivio mundi zu Gast waren, können trommeln! Das Publikum war begeistert. So kam afrikanischer Rhythmus in unseren Abend, der sich auch thematisch noch wiederfinden sollte.
Doch Geschichten werden nicht getrommelt, sondern gesungen. In bisweilen etwas melancholischer Melodieführung begleitete Sam A. Jarju aus Gambia sich selbst auf der Kora. Diese ausdrucksstarke musikalische Stimmung wird in Erinnerung bleiben. Auch die von den Trommlern mitgesungenen Refrains trugen zum erzählenden Ton der Musik bei. So auch bei dem auch in Deutschland bekannten „Maleika“, das von einem Mädchen erzählt, das einen jungen, aber armen Mann liebt, aber von ihren Eltern reich verheiratet werden soll.
Mancher hatte sich vielleicht gefragt, warum auf dem Plakat, mit dem zur Veranstaltung eingeladen wurde, unter einem Regenbogen das bekannte Werk „Der Schrei“ von Edward Munch zu sehen war. Die Antwort war der Dialog „Der Schrei“, ein Gespräch zwischen Körper und Seele, den der deutsch-jüdische Philosoph Franz Rosenzweig unter dem starken Eindruck des Ersten Weltkriegs geschrieben und veröffentlicht hatte. So spricht „Die Seele“ am Ende des Textes, der in gekürzter Fassung vorgetragen wurde:
„Und fänden nimmer wir das gleiche Wort, das Wort, das uns vereint, und schied uns selbst der letzte Wunsch, die letzte Hoffnung, eingeformt in Worte – doch so ist es nicht. Schon einmal schrien wir den gleichen Schrei hinauf zum unzerrissnen, starren Himmel. … Uns eint der Schrei, selbst wenn das Wort uns trennt. Der Schrei nach Ewigkeit und Einfachheit und dass der Himmel risse. … Gewiss, entgegen führt uns unser Weg; ein jeder Schritt des einen droht die Spur des andern auszulöschen; und dennoch ist gemeinsam jenseits aller Taten, Worte und Gedanken uns das Letzte, uns der Schrei. Tat, Wort, Gedanke möchten sich vernichten wechselweis, wie gleicher Kräfte Aufeinanderprall; aber im Schrei geschieht das Wunder und die Gegenkräfte einen sich zum gleichen Weg. Noch riss der Himmel nicht, noch pulst die Zeit; so findet unser Hoffen selber nicht das gleiche Wort und bleibt gebunden unter das Gesetz, das es verneint. Der Schrei allein greift über das Gesetz, hinter den Himmel, der uns unzerrissen starrt; und zwingt gewaltsam die Erfüllung sich herab – ob heute oder wann? Was kümmerts uns! Uns ist Gewissheit worden, dass den Schrei ein Ohr vernahm.“
Afrikanische Gedichte aus der Mitte des letzten Jahrhunderts sprechen natürlich von Hunger und Durst, von leeren Versprechen, von Tränen und von sorgengebeugten Köpfen. Die ständige Einmischung in die Politik der Länder ist ebenso Thema wie die Unsicherheit der Jugend, welchen Weg sie wählen soll.
Aber diese Gedichte können so viel mehr, als nur Trauer und Schuldgefühle zu wecken.
Natürlich wühlen sie auf, wenn sie an Dinge erinnern, die in Europa meist nicht mehr zum Alltag gehören, so wie William F. Syad aus Somaila an die zerstörerische Macht der „Schlampe Hunger", die "Tochter der sieben Todsünden“.
Es mag einerseits bedrücken, dass viele der Gedichte bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren haben.
Wie in „Ich mag nicht" von Bernard Binlin Dadié, wo es heißt:
„Ich mag die Zivilisation nicht, wenn sie Göttin ist
Des Schreckens
Der Schwelgerei
Der Ungerechtigkeit“
Doch sie zeigen auch Wege. Wege des Erinnerns, Wege des Glaubens, Wege der Liebe.
Léopold Ségar Senghor, Senegal, beschreibt die Aufgaben Afrikas für die Zukunft mit so starken Worten wie „... den Freudenschrei ausstoßen, der Tote und Waise bei neuer Dämmerung weckt? ...“ .
Richard Moore Rive (Südafrika) schuf mit: „Es gibt keine Weise, die eine schwarze Weise wäre. Es gibt keine Weise, die eine weiße Weise wäre. Es gibt nur eine Musik, Bruder ...“ schon fast eine Art Kurzfassung für den Grundgedanken der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen.
Und immer wieder ist da Hoffnung „... Hoffen auf all die Ernte für alle“, wie es Mbella Sonne Dipoko aus Kamerun schrieb.
Frau Abena P.A. Busia, geboren in Ghana, feiert mit einem kleinen Gedicht die Mondgöttin Mawu, die die Welt und das Leben beschützt und sich in „... Ozeane wie in ein Tuch ...“ hüllt.
Und wenn man Worte sucht, um kurz und knapp zu beschreiben, was Afrika von uns erwartet, dann findet man sie bei Roland Tombekai Dempster aus Liberia:
„Gott schuf mich Ich.
Er schuf dich Du.
Um Gottes Willen
Laß mich ich sein.“.
Solange ein Kontinent solche Dichter hervorbringt, wird es am Ende des Regenbogens eine Weise geben, die von allen gesungen wird.