Ein Geburtstagsfest der Vielfalt
250 Jahre Friedrich Schiller und 200 Jahre Felix Mendelssohn-Bartholdy
Unter diesem Titel lud Convivio mundi e.V. zu einer Geburtstagsparty der anderen Art ein.
Das Leibnizhaus als „Partyraum“ eher ungewöhnlich, jedoch sehr angemessen. So auch die „Geburtstagskinder“ - außergewöhnlich und gerade deshalb einer solchen Feier wert. Und die Gäste? Genau so, wie man sie sich wünscht: gut gelaunt und erwartungsfroh. Als Erste gratulierte Renate Müller De Paoli mit einem kleinen Pfeifkonzert: Beethovens Vertonung von Schillers „Ode an die Freude“. Und wie es nicht anders zu erwarten war, steckte die Melodie an, bis fast der ganze Saal pfiff oder summte. In ihren Begrüßungsworten ging Frau Müller De Paoli auf biografische Schwerpunkte der „Geburtstagskinder“ ein. Sie erinnerte auch daran, dass sich gerade in diesen Tagen zwei weitere denkwürdige Ereignisse jähren – der Mauerfall und die Reichspogromnacht.
Beides Ereignisse, die durchaus Verbindungen zu den Biografien zulassen. So hat es in der Familie Mendelssohn, angefangen mit Moses Mendelssohn, der später auch zu Wort kam, immer wieder Auseinandersetzungen und Überlegungen über die Rolle des Judentums in der Zukunft gegeben.
Natürlich kam Felix Mendelssohn-Bartholdy auch musikalisch nicht zu kurz. Meng Sun, die vor 3 Jahren aus China nach Deutschland kam, um am Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter der Hochschule für Musik und Theater Hannover Klavier zu studieren, präsentierte das Rondo capriccioso op.14 und das Scherzo e-moll Nr.2, op.16. Sie spielte nicht nur „wunderhübsch“ (um mit Mendelssohns Worten aus einem seiner Briefe zu sprechen), sondern mit ihren gerade mal 13 Jahren so ausdrucksvoll, dass die Anwesenden aufrichtig begeistert waren.
Friedrich Schiller kam zu Ehren, indem einige seiner Gedichte rezitiert wurden. Das Besondere daran war, dass sie nicht nur in deutscher Sprache vorgetragen wurden, sondern auch in Englisch, Russisch und Türkisch. So trug die Schülerin Aybike Demirci sehr lebhaft „Die Teilung der Erde“ in deutscher Sprache vor. Während ihre Freundin Marthe Meier auf Deutsch die Ballade „Der Handschuh“ rezitierte, gefolgt von Tatjana Ilchenko in Russisch und Kerstin Hellmuth in Englisch. Das Interessante daran war einerseits, dass der Handlungsbogen auch in den fremden Sprachen nachvollziehbar war; und andererseits, der Charakter der verschiedenen Kulturen und der damit verbundenen Sprachen sehr schön zum Ausdruck kam. Danach trug Gisela Müglich Schillers Ballade „Der Ring des Polykrates“ auf Deutsch vor. Und als letztes Gedicht folgte „Sehnsucht“ auf Deutsch von Birgit Brenner und auf Türkisch von Aybike Demirci.
Im zweiten Teil ging es dann um Felix Mendelssohn-Bartholdy. Mitglieder der Laienschauspielgruppe von Convivio mundi e.V. zitierten aus der Biografie von Sebastian Hensel über Moses Mendelssohn (dem Großvater von Felix M.-B.und Urgroßvater von Sebastian Hensel). Es ging dabei vor allem um die Rolle des Judentums in der Zukunft, und das in einer Zeit, in der die Juden nur unter schweren bzw. lebensgefährlichen Bedingungen existieren konnten. Mendelssohn war sich darüber im Klaren, dass ein Aufbruch in ein anderes Land, wie damals der Auszug aus Ägypten heute nicht mehr möglich wäre. Er sah die Lösung darin „ein neues Palästina in Form von Bildung zu schaffen“. Dafür setzte er sich intensiv ein und wurde nicht umsonst als „der deutsche Sokrates“ bezeichnet.
Außerdem wurden Briefe zu Gehör gebracht zwischen Felix, seiner Schwester Fanny, dem Vater Abraham und Freunden. Gerade in den Familienbriefen ging es um die Fortsetzung der Suche nach der Bestimmung des Judentums, welche dabei auch am Namen festgemacht wurde. Der Name „Mendelssohn“ stand für die Tradition des Vorfahren Moses Mendelssohn, aber damit auch für die Gefahren, die das Judentum überschatteten; der Name Bartholdy für die Hinwendung zum Christentum und somit für mehr Sicherheit. Neben dieser intensiven Auseinandersetzung zwischen Felix und seinem Vater Abrahm zeigten die Briefe aber auch das große Arbeitspensum und die musikalische Verantwortung, die der damals 23 jährige bereits absolvierte. Felix Mendelssohn-Bartholdy bezog sehr klar Stellung gegen Leute, die die Kunst ins Banale ziehen wollten: „Wenn Einer das Große nicht fühlt, so möchte ich wissen, wie er es mich will fühlen lassen, ...“. Bei aller Ernsthaftigkeit bewahrte er sich einen wohltuenden jugendlichen Schwung und liebevollen Humor, der es dem Zuhörer sehr leicht machte, ihn ins Herz zu schließen. So zeigt es sich auch in dem kleinen Gedicht, in dem Felix die Schwierigkeiten beschreibt, mit denen der Komponist konfrontiert ist aber auch seine unverwechselbare Art diese zu lösen:
„Schreibt der Komponiste ernst, schläfert er uns ein;
schreibt der Komponiste froh, ist er zu gemein.
Schreibt der Komponiste lang, ist es zum Erbarmen;
schreibt ein Komponiste kurz, kann man nicht erwarmen.
Schreibt ein Komponiste klar, ist's ein armer Tropf;
schreibt ein Komponiste tief, rappelt's ihm im Kopf.
Schreib' er also wie er will, keinem steht es an.
Darum schreibt ein Komponist, wie er will und kann!"