Zum 750. Todestag von Mevlana D. Rumi

Buchbesprechung
„Nichts auf der Welt ist für mich so kostbar wie das Lächeln eines Kindes"
Zum 750. Todestag von Mevlana Dschelaleddin Rumi (1207-1273)

„Wie soll man das Kindern begreiflich machen?“ fragte Ofer Waldmann in einem Interview mit der ARD-Tagesschau angesichts der barbarischen, menschenverachtenden Eskalation im Nahen Osten. Drohen Hass, Terror, Tod und Zerstörung wirklich in dieser Welt zu obsiegen? Und dennoch „Meine Religion ist Liebe. Jedes Herz ist mein Tempel.“, sagt der große persische Dichter und Islamgelehrte Mevlana Dschelaleddin Rumi, dessen 750. Todestag sich am 17. Dezember dieses Jahres jährt. Aus diesem Anlass hat der Züricher NordSüd Verlag ein farbenprächtiges Bilderbuch mit dem schlichten Titel RumiDichter der Liebe herausgebracht, geschrieben und illustriert von der Iranerin Rashin Kheiriyeh.
Ein wundervoller Schatz, der nicht nur Kindern helfen kann, zu der eigentlichen Kraft in unserem Universum zurückzufinden und mit Mevlana Dschelaleddin Rumi Wege zu einem friedvollen, menschenwürdigen Zusammenleben zu beschreiten: „Hör mit den Ohren der Toleranz. Sieh durch die Augen des Mitgefühls. Sprich die Sprache der Liebe."

(©Buchcover: NordSüd Verlag AG)
(©Buchcover: NordSüd Verlag AG)

„Wie soll man das Kindern begreiflich machen? Wie soll man Kindern begreiflich machen, dass Menschen, die in unmittelbarer Nähe leben, dazu fähig sind, auf kleine Kinder zu schießen, Mütter mit Kleinkindern auf dem Arm zu verschleppen, auf alte Menschen zu schießen, zu vergewaltigen, zu morden? Ich kann und will nicht mal versuchen, das meinen Kindern zu erklären. Ich glaube, das geht auch nicht.

Ich frage mich als Mensch, wie kann es sein, dass solche Taten Teil unserer Welt sind? Welche Worte findet man dafür? … Wir leben nun mal in Israel, aber wir versuchen selbst in dieser schweren Stunde, an den Tag danach zu denken. Und da bin ich mächtig stolz auf meine Kinder. Meine ältere Tochter fragte, was ist eigentlich mit den Kindern in Gaza?“, so Ofer Waldmann am 11. Oktober 2023 im Interview mit der ARD-Tagesschau. Waldmann ist Autor und Musiker und lebt in einem Wohnort bei Haifa in der Nähe der Grenze zum Libanon. Er kam 1999 aus Jerusalem nach Berlin, wo er Musik studierte und als Hornist in das damals gerade von Daniel Barenboim neugegründete West-Eastern Divan Orchestra aufgenommen wurde. In diesem zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern bestehenden Orchester, das sich für friedliche Lösungen im Nahostkonflikt einsetzt, begann seine musikalische Laufbahn mit Engagements bei verschiedenen Häusern und Orchestern.

Auch Mevlana Dschelaleddin Rumi erlebt Vertreibung und Flucht, Leid, Verlust und Schmerz. Er wird am 30. September 1207 in der Provinz Balch geboren, im damaligen Persien, heute nördliches Afghanistan. Sein Vater war dort Professor der Islamwissenschaften. Jedoch musste die Familie vor den Mongolen fliehen und gelangte über Mekka und Syrien schließlich nach Konya in Anatolien. Konya war zum damaligen Zeitpunkt ein Zentrum der Wissenschaften und der Toleranz. Moslems, Juden, Christen und andere religiöse Gemeinschaften lebten dort in friedlicher Nachbarschaft zusammen. Nach dem Tode seines Vaters wurde Rumi zu dessen Nachfolger und zum Professor der Islamschule ernannt. „Schon mit Anfang zwanzig war Rumi ein berühmter Gelehrter und Lehrer, genau wie sein Vater und Großvater vor ihm. Schüler kamen von nah und fern, um ihn zu hören und an seinem Unterricht teilzunehmen. Trotz dieses Erfolgs war Rumi nicht glücklich. In seinem Herzen fehlte etwas.“, schreibt die iranische Autorin und Illustratorin Rashin Kheiriyeh in ihrem Bilderbuch Rumi – Dichter der Liebe. Im Jahre 1244 begegnet ihm der wandernde Derwisch Schamseddin von Täbriz. Schams, „was auf Persisch DIE SONNE heißt“, verändert nun sein Leben von Grund auf. Doch Eifersucht und Neid vertreiben Schams aus der Stadt Konya und stürzen Rumi in tiefe Verzweiflung und Traurigkeit über den Verlust des Freundes. Und er beginnt zu schreiben. So gilt das „Masnawi“, sechs Bände mit 25.000 Versen, als eines der wichtigsten poetischen Werke persischer Sprache, ebenso wie „Der Diwan von Schams-e Tabrizi“ mit 35.000 Versen, welcher in einem Zeitraum von 30 Jahren seit dem Verschwinden des Freundes Schams-e Tabrizi und Rumis Tod entstand. Es ist dem Dichter Friedrich Rückert zu verdanken, dass er die Schönheit und Sprengkraft der Poesie Mevlanas zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkennt und ins Deutsche überträgt und nachdichtet.

Im Nachwort zum Bilderbuch Rumi – Dichter der Liebe schreibt Rashin Kheiriyeh, die inzwischen in den USA lebt: „Ich liebe Rumi. Er ist mir der liebste persische Dichter aller Zeiten. Ich bin im Iran mit seinen Büchern aufgewachsen. Als ich klein war erzählte meine Mama mir seine Geschichten. Ich habe dieses Buch zur Feier seines 750. Todestags im Jahr 2023 gemacht.“ Liebevoll führt sie uns in das Leben und die Weisheit Mevlanas; entführt und verzaubert uns mit hellen, prächtigen Farben in eine Welt voller bunter Blumen, Vögeln und orientalischen Figuren. Denn „Als Kind spielte und tanzte Rumi gern im Blumengarten. Er rannte Schmetterlingen hinterher und genoss den Duft der Rosen und den Gesang der Vögel. Der kleine Rumi fütterte die Vögel und schaute ihnen beim Herumfliegen zu. Sein liebster Vogel war der Wiedehopf, die Verkörperung der Weisheit. Rumi hatte viele Fragen und wollte wissen, wer diese schöne Welt geschaffen hatte. Geduldig beantwortete sein Vater Rumis Fragen und brachte ihm bei, was er selbst über die Welt wusste. Eines Tages sagte er zu Rumi: ,Lerne von der Sonne, was Großzügigkeit ist. Jeden Tag erhellt sie die Welt, ohne etwas dafür zu verlangen.’“
Und „Rumi schrieb ganze Tage und Nächte. Wort um Wort. Er ließ Buchstaben miteinander verschmelzen, wie ein Regentropfen mit dem Meer verschmilzt. Seine Freundschaft mit Schams hatte ihn beflügelt. Und schließlich vollendete er sein Meisterwerk „Masnawi“.

Alle liebten Rumis Buch, und Kinder liebten es ganz besonders. Bald schon wurde es in viele Sprachen übersetzt. Rumi wurde einer der berühmtesten Schriftsteller aller Zeiten. Am liebsten aber erzählte er Kindern Geschichten. ,Nichts auf der Welt ist für mich so kostbar wie ein echtes Lächeln, besonders das Lächeln eines Kindes’, sagte Rumi.“

750 Jahre nach seinem Tod fordert uns Mevlana Dschelaleddin Rumi in seiner Weisheit umso mehr heraus, unsere Angst und Sprachlosigkeit ob der Grauen in dieser Welt hinter uns zu lassen und ein friedvolles und menschenwürdiges Miteinander zu gestalten. Und er hält uns seinen Spiegel vor: „Fragst du: „Was ist Liebe?“, sage ich: „Den Eigenwillen aufzugeben. Für die, welche lieben, gibt es nicht Moslems, Christen und Juden.“


Rashin Kheiriyeh: Rumi – Dichter der Liebe.
Aus dem Englischen von Thomas Bodmer.
40 Seiten, NordSüd Verlag, Zürich 2023.
Ab 5 Jahren


Geschrieben von Renate Müller De Paoli
Sonntag, 15. Oktober 2023

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„Nichts auf der Welt ist für mich so kostbar wie das Lächeln eines Kindes"
Zum 750. Todestag von Mevlana Dschelaleddin Rumi (1207-1273)

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