„Nein, das ist nicht mein Haus"

Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil

In diesem autobiographischen Buch macht Arno Geiger den Versuch, sich dem Phänomen der Alzheimerkrankheit am Beispiel seines Vaters, dessen Porträt mit und ohne Krankheit er nachzeichnet, verstehend zu nähern. Dabei zeigt er die verschiedenen Facetten, die das Leben mit seinem demenzkranken Vater hat: die Entwicklung vom Unverständnis zum Verstehenwollen, Bitterkeit, Angst und Hilflosigkeit, aber auch humoristische Momente bzw. den Humor, der Vieles leichter ertragen lässt.

Arno Geiger

Arno Geiger

Geiger stellt sich mit seinem Buch der Frage, wie man als Angehöriger auf die Krankheit reagieren kann und wie es möglich ist, die unterschiedlichen Welten nebeneinander bestehen zu lassen. Erst mit der Zeit, schreibt er, gelingt es ihm zu verstehen, dass sich für den Vater die Wahrnehmung grundlegend verändert und dass alle Appelle an Vernunft und Logik ins Leere gehen, da sich für den Kranken, der schließlich das von ihm eigenhändig erbaute Haus nicht mehr als sein Zuhause erkennt, ein ganz anderes Bild der Wirklichkeit ergibt als für ihn selbst.

Bei der Alzheimerkrankheit, die sich oft schleichend einstellt, verliert der Betroffene kognitive Fähigkeiten, wie Aufmerksamkeit, Erinnerung und Orientierung. Die Wahrnehmungsverarbeitung ist gestört, wodurch ein verändertes Bild der Wirklichkeit entsteht.

Buchcover von Der alte König in seinem Exil

Geiger, Arno: Der alte König in seinem Exil.

München: Hanser 2011.

Allerdings muss man sehen, dass Wahrnehmung immer subjektiv ist, auch bei gesunden Menschen und dass daher die Welt, in der ein Alzheimerpatient lebt, nicht falsch ist, auch wenn sie nicht mehr einer gewissen Konsistenz und Logik folgt, die gesunden Menschen Halt und Orientierung bietet.

Geiger erzählt die Geschichte seines Vaters und die seines eigenen Lernprozesses. Er erzählt, wie er nach der Distanzierung in der Jugend den Kontakt zum Vater später wiederfindet und sich erneut mit ihm auseinandersetzt, mit dessen Rolle als Eigenbrötler, Lebenskünstler und Vater. Der Eindruck, dass Geiger stellenweise die Grenzen der Privatsphäre des „alten Königs“, der sein Leben eher zurückgezogen und unauffällig gelebt hat, überschreitet, indem er dem Leser einen relativ persönlichen Einblick in dessen Eigenheiten erlaubt, kann zumindest entstehen. Geiger geht es allerdings nicht darum, den Vater vorzuführen, vielmehr ist das Buch, in dem die Frage nach einem angemessenen Umgang mit der Demenz auf jeder Seite präsent ist, ein Plädoyer für mehr Verständnis, Offenheit und die Suche nach „neuen Maßstäben“, die die durcheinandergebrachte Wirklichkeit des Kranken gelten lassen.

Geschrieben von Janina Schmiedel
Sonntag, 12. Januar 2014


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